Der 5- Minuten- Trick, wenn du aufschiebst
Ein Gastbeitrag von Verena Mayer-Kolbinger von sichtbar-anders.de
Anmerkung von Julia: Ich schreibe ja gerade ein Buch über Produktivität und Prokrastination und erstelle einen Onlinekurs dazu (kommt alles erst im nächsten Jahr). Als mich Verena anschrieb, ob ich Interesse an einem Gastartikel habe, habe ich mich deshalb gefreut: Sie beschäftigt sich mit einem ganz ähnlichen Thema, den Blockaden von Kreativen. Schaut auf ihrer Seite vorbei, falls Interesse besteht, dort bietet sie auch einen Test an und gibt im Januar 21 einen Onlinekurs zum Thema.
Aufschieben, Prokrastinieren. Kennst du das? Wenn ich diese Frage in einem Raum mit 40 Personen (ok, nicht gerade zu Corona-Zeiten) stelle, dann melden sich für gewöhnlich fast alle. Jeder kennt sie, die unsichtbare Hürde, die uns zurückhält, wenn etwas ansteht vor dem wir „Respekt“ haben. Der US-Autor Steven Pressfield spricht in seinem Buch „The War of Art“ vom Widerstand anzufangen, als Energiefeld, das sich immer weiter ausbreitet. Und ganz genauso verhält es sich auch mit dem Prokrastinieren. Je länger wir warten, um so größer wird die Hürde.
Die unliebsamen und die verletzlichen Aufgaben
Selbst Aufgaben, die wir schon oft gemeistert haben, werden vor uns hergeschoben. Aufgaben, die zu unseren täglichen Übungen gehören. Ganz gleich, ob es sich um ein großes oder ein kleines Projekt handelt: alle haben etwas in sich, das wir mit einer bestimmten Erwartungshaltung an seine Qualität und unser Können verbinden.
Wenn wir Aufschieben, dann machen wir das fast immer aus zwei Gründen:
Wir mögen eine Aufgabe nicht und sie geht uns nicht leicht von der Hand.
Wir fürchten zu versagen.
Damit wird eines klar: Aufschieben ist ein Symptom. Dahinter liegt ein Widerstand, der häufig mit mangelnder Klarheit zu tun hat. Und hinter diesem stecken meist Angst, Zweifel und auch Trägheit.
Angst vor dem Versagen
Die Angst zu versagen steht ganz hoch im Kurs. Gefolgt von der Befürchtung, sich lächerlich und verletzbar zu machen und zurückgewiesen zu werden. Wenn ich Klienten meinen kreativen Blockaden-Test machen lasse, höre ich oft am Anfang: „Da stecken doch eh nur Glaubenssätze dahinter.“ Ja und nein. Denn Glaubenssätze sind auch nur Erfahrungen, die wir über uns abgespeichert haben. Erfahrungen, die uns so tief getroffen haben, dass wir sie nicht hinterfragen und vor allem an ihnen festhalten. Hinter diesen Glaubenssätzen steckt auch immer ein Gefühl. Und fast immer ist es Angst.
Zweifel, die fast immer Selbstzweifel sind
Wenn wir an anderen so stark zweifeln würden wie an uns selbst, dann wären wir verdammt schlechte Eltern, Freude, Partner und Menschen. Wir wären gänzlich hoffnungslos. Aber aus irgendeinem Grund zweifeln wir eher an uns als an anderen. Das muss nicht zwangsläufig immer so sein, aber die Tendenz ist auf jeden Fall da. Wir zweifeln an uns und vergleichen uns mit anderen. „Hat nicht Schriftsteller XY seinen ersten Roman trotz zwei Brot-Jobs mal eben nachts nebenher geschrieben. Seine Vision war so viel größer als meine und hat ihn getragen.“ Auch nur ein Beispiel.
Trägheit, Bequemlichkeit und Faulheit
Hinter vielen Aufgaben, die wir aufschieben, steckt Trägheit. Wir wissen ganz genau, dass wir uns fokussieren müssten, dass wir Klarheit schaffen müssen. Das hört sich jetzt so einfach an. Tatsächlich ist diese Klarheit aber oft mit elementaren Entscheidungen verbunden. Wer bin ich, wie richte ich mich aus, wie beziehe ich Stellung?
Deadline: größter Verbündeter von Aufschiebern.
Mal angenommen, du schiebst auf. Wann ist Schluss damit? Meist, wenn du nicht mehr anders kannst, oder? Wenn eine Deadline ansteht.
Das ist nicht nur bei dir so. Wir legen endlich los. Leider ist das Ergebnis oft nicht so gut. Denn wir wissen (wie gesagt es gibt auch Ausnahmen), dass wir es noch besser hätten machen können. Gerade wenn wir eine kreative Idee haben, fühlt es sich mit einer Deadline oft nach „abarbeiten“ und nicht nach „kreieren“ an. Bis dahin haben wir einfach nur aufgeschoben und machen uns gar nicht bewusst, dass wir die ganze Zeit blockiert sind. Es funktioniert nämlich sehr gut. Die Gefahr ist nur, dass wir auf Grund einer Deadline zu einem abgeschwächten Ziel kommen, da wir unbewusst unzählige Kompromisse eingegangen sind. Wir formulieren Charakter nicht komplett aus, wir feilen nicht tiefer an einer Szene oder gehen einer Buch Idee gar nicht erst nach… Der Unterschied ist das Gefühl, unter unseren Möglichkeiten geblieben zu sein. Bewusst innere Blockaden auflösen beginnen wir erst, wenn es anfängt weh zu tun. Aber da ist auch ein riesiges Gefühl der Erleichterung. Schließlich ist das schlechte Gewissen weg.
Deadlines sind auch Motivations-Booster
Bitte versteht das nicht falsch, denn Deadlines sind auch unglaublich hilfreich. Sie geben uns besonders in intrinsisch motivierten Projekten einen Rahmen und fördern auch die Motivation und den damit verbundenen Flow (siehe Studie zur positiven Psychologie von Corinna Pfeifer): „Zum Zusammenhang zwischen Flow-Erleben und Stress im Kontext von Leistung und Wohlbefinden“
Was kannst du machen, wenn eine Deadline in greifbare Nähe rückt und du aber dennoch eine authentische Arbeit abliefern willst?
Eine oft zitierte Weisheit sagt: „Alter ist was für Mutige.“ Dasselbe gilt für kreative Blockaden, denn um nichts anderes handelt es sich, wenn wir bestimmte Aufgaben aufschieben.
Hier also die Antwort: Schau genau hin!
Wenn du authentisch schreiben willst, wenn du packende Konzepte entwickeln willst, dann sei mutig und ehrlich zu dir selbst.
Ich teile heute einen 5-Minuten-Trick, den ich mit meinen Kreativitäts-Coaching-Klienten oft einsetze. Nimm dir dazu bitte 5 Minuten Zeit (wenn du magst auch gerne mehr) und etwas zum Schreiben.
Schluss mit Aufschieben: Der 5-Minuten-Trick!
Erkenne an, dass du aufschiebst, weil du etwas vermeiden willst.
Ja, aber ich weiß doch, dass ich aufschiebe. Diese Form von Erkennen meine ich nicht. Gestehe dir ein, dass du aus einer Furcht heraus aufschiebst. Erkennen heißt für mich auch annehmen. Es ist jetzt gerade so. Sobald du erkennst, kannst du noch genauer hinschauen.
Erkennen ist nämlich der erste mutige Schritt zur Lösung.
Hol die Lupe raus!
Warum schiebst du auf? Werde zum Forscher und lege dich selbst mal eben unters Mikroskop. Aktiviere deinen Forschergeist, deine Neugier. Schiebst du auf, weil du nicht weißt wo anfangen? Weil du zweifelst? Weil du unsicher bist?
Identifiziere das Gefühl.
Welches Gefühl steckt dahinter? Ist es Furcht, Angst? Wenn ja, vor was? Vielleicht Ablehnung? Wenn ich diese E-Mail schreibe und mein Konzept vorstelle, dann bekomme ich vielleicht keine Antwort. Vielleicht weil mein Thema nicht relevant ist.
Relativiere Folgen und Konsequenzen
Ok, das kann passieren. Was könnte aber auch passieren? Könnte es positiv sein?
Wenn du dir über Folgen klar geworden bist, dann ist das Gefühl häufig gar nicht mehr so groß. Du hast die Taschenlampe angemacht und ins Dunkle geleuchtet.
Suche eine Lösung.
Was müsstest du machen, damit die Befürchtung, die du hast, entkräftet werden kann? Im Beispiel der Befürchtung, dass eventuell ein Thema für den E-Mail-Empfänger nicht interessant wäre, wie kannst du die Mail verfassen, dass sie interessant ist? Was ist relevant für den Leser? Du bist doch ein Profi in deinem Fach. Tritt zurück und trage die Fakten zusammen. Du wirst eine Lösung finden.
Ein Beispiel am eigenen Leib?
Meine künstlerische Karriere läuft parallel zu meinem Kreativitäts-Coaching-Business. Gerade im Vergleich sehe ich immer wieder, wie verletzlich ich als Künstlerin bin. 2016 habe ich von einer befreundeten Künstlerin den Hinweis bekommen, dass ich eventuell ins Konzept einer Galerie in Chicago passen würde. Mich dort per Mail zu melden habe ich ewig vor mir weggeschoben. Es ist nicht so, dass es meine erste Mail an Galerien war, aber diese war mir sehr wichtig. Ich habe geschoben und geschoben und gleichzeitig habe ich immer mehr Bammel bekommen, dass ich Chancen verpasse.
Dann habe ich irgendwann meine eigene Kreativitäts-Coach-Medizin geschluckt und habe den 5-Minuten-Trick angewendet.
So habe ich endlich die aufgeschobene Mail geschrieben.
Ich habe mir eingestanden, dass ich aufschiebe, weil ich einen riesigen Respekt vor dieser Mail hatte. Warum: weil ich Angst hatte, dass diese wunderschöne Vorstellung von einer internationalen Ausstellung platzen könnte. Was genau war die Angst?
Es war die Angst, dass meine Kunst nicht relevant für den Galeristen wäre, dass ich als Deutsche nicht ins Konzept passen könnte und es viel zu viel Aufwand wäre, mich „kleine und unbekannte“ Künstlerin auszustellen und meine Bilder in die USA zu ordern.
Ok, wenn das die Themen hinter der Angst waren, wie könnte dann die Lösung aussehen?
Ich habe mich dafür entschlossen genau das anzusprechen und in Bezug zu meinem Ausstellungskonzept zu stellen. Und ich habe aufgeschrieben, warum ich trotzdem meinen Mut aufgebracht habe.
Der Galerist hat sich schon am nächsten Tag gemeldet. Im Juni 2017 habe ich in Chicago in einer renommierten Galerie ausgestellt. Es war ein Höhepunkt in diesem Jahr für mich.
Was hat das mit Kreativität zu tun?
In meinen Augen alles. Denn wir erschaffen und kreieren permanent und im Zentrum des kreativen Prozesses stehen wir selbst mit all unseren Erfahrungen, unserem Können und Visionen. Genau die unterscheiden uns von anderen Autoren, Textern und Journalisten. Das bedeutet, dass wir „echt“ und authentisch unsere Gedanken sichtbar machen und unsere Kreativität fließen lassen. Aber unsere Kreativität bedeutet auch, dass wir Neues entdecken und unsere Welt erforschen. Dabei stoßen wir immer wieder auf Widerstände, die unsere Kreativität blockieren. Wir haben in solchen Momenten zwei Möglichkeiten: Entweder wir versuchen mit der Blockade zu leben und sie zu ignorieren oder wir überwinden sie. Blockaden sind wie Felsen, die uns im Weg liegen. Wir können auf sie hinaufklettern und haben von dort oben eine andere Sicht auf unserem Weg. Das ist nicht immer einfach, lohnt sich aber in meinen Augen immer. Deshalb ist jedes Aufschieben auch eine Chance.
Liebe und Wohlwollen uns selbst gegenüber ist wichtig
Kreative Blockaden, gerade wenn wir z.B. an einem Buch nicht weiter schreiben können, sind schmerzhaft und lässt Selbstzweifel aufkommen. Und ich weiß auch, dass Selbstliebe nicht für jeden so einfach ist. Mal sind wir gnädiger und freundlicher mit uns, manchmal weniger. Je mehr wir uns selbst mit einer wohlwollenden positiven Haltung begegnen, umso leichter ist es, kreative Blockaden und das Aufschieben anzugehen.
Kreativität ist deine Superkraft
Als kreative Menschen sind wir kreativ, weil wir die Selbstwirksamkeit in unserer Tätigkeit erlebt haben. Was heißt Selbstwirksamkeit? Wir haben etwas erschaffen, auf das wir stolz sind. Es tut uns gut und wir möchten weiter schreiben, töpfern, musizieren oder konzipieren. Wir haben gelernt, dass unsere Kreativität für uns funktioniert. Selbst wenn du dich noch nicht getraut hast, deine Texte oder Arbeiten öffentlich zu zeigen, dir selbst haben sie etwas gegeben, bzw. du liebst sie. Sonst würdest du es nicht weiterversuchen. Das ist Selbstwirksamkeit. Kreativität stärkt unser Selbstbewusstsein. Diese Freude am Erschaffen lässt uns weitermachen und diese Freude gibt dir auch die Kraft, Hürden und Widerstände, die sich als Aufschieben und Prokrastinieren zeigen, zu überwinden.
Auf meiner Website biete ich einen kostenlosen kreativen Blockaden-Test an. Vielleicht kommst du mit ihm auf eine Fährte, die dich zu der Lösung deiner aktuellen Hürden führt. In der Auswertung wirst du von mir auch erste Hilfestellungen erhalten.
Über die Autorin:
Verena Mayer-Kolbinger ist Kreativitäts-Coach, Unternehmerin und Künstlerin. Ihre Webseite findest du hier. Nach 15 Jahren als Geschäftsführerin einer Werbeagentur berät sie seit 2017 Autoren, Selbstständige und Unternehmen rund um deren kreativen Superkraft. Ein besonderes Herzensthema sind dabei kreative Blockaden, die Verena als Chance zum kreativen Wachstum sieht. Ende Januar 20121 startet ihr Online-Kurs „Jetzt.Beginne.Ich!“.
www.sichtbar-anders.de // https://sichtbar-anders.de/kreative-blockaden-test/
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