Was sind Testleser und wie finde ich sie?
Mit diesem Artikel möchte euch erklären, warum Testleser wunderbar sind, wie ihr welche findet und wie die Zusammenarbeit aussehen kann.
Was sind Alpha- und Betaleser?
Testleser, auf Englisch auch Betareader genannt, lesen ein Buchmanuskript vor der Veröffentlichung und geben dem Autor Feedback zu allen möglichen Aspekten. Normalerweise sind es keine professionellen Leser, also keine Lektoren, sondern Laien. So etwas gibt es übrigens auch im Filmgeschäft, wo man immer wieder hört, dass ein ganzes Filmende überarbeitet wurde, nachdem Testzuschauer mit dem Ende nicht glücklich waren.
Jeder „Vorableser“ ist letztlich ein Betaleser. Durch das Feedback kann der Autor die eigene Blindheit gegenüber dem Manuskript überwinden. Im Unterschied zu Kollegen, die oft auf handwerkliche Fehler hinweisen, sind Testleser besonders wertvoll, weil sie einfach einen Leseeindruck deines Romans wiedergeben. Im Englischen gibt es zudem noch den Ausdruck Alphaleser, damit ist die erste Person gemeint, die das Manuskript liest, oft noch während es geschrieben wird. Auch mit solchen Lesern arbeiten einige befreundete Autoren zusammen, die zum Teil jedes Kapitel direkt nach Fertigstellung an solche Leser weiterleiten. Allerdings kenne ich die Unterscheidung in Alpha- und Betaleser au Deutschland weniger, Testleser ist Testleser, egal ob Beta oder Alpha.
Man kann auch spezielle Testleser einsetzen, die zum Beispiel auf Fakten achten, wenn der Autor über einen bestimmten Beruf oder eine Zeitperiode schreibt. In letzter Zeit gibt es auch vermehrt Sensitivity Reader, die das Manuskript auf sensible Themen hin lesen, besonders hinsichtlich Rassismus- und Genderfragen. Wer Interesse an Sensitivity Readern zu bestimmten Themen hat, kann sich übrigens einmal hier umsehen.
Testleser ersetzen keine Lektoren
Obwohl Testleser wahnsinnig viele Hinweise auf Fehler und Schwächen im Buch geben können, sind sie häufig nicht in der Lage zu sagen, wie das Problem behoben werden kann. Dazu sind vor allem gute Lektoren in der Lage, die auf Handlungslücken, Probleme bei Charakterentwicklung und auch grammatikalische Fehler hinweisen können und Lösungen finden. Aber oft sind sie nicht die genaue Zielgruppe des Buches – deshalb sind Testleser so hilfreich.
Die Abfolge ist meist
- Buch schreiben
- Selbst überarbeiten hinsichtlich Handlung, Stil etc.
- Buch geht an den Testleser
- Evtl. Überarbeitung
- Evtl. Sensitivity Reader oder fachlich geschulte Leser
- Überarbeitung
- Buch geht an den Verlag
- Verlag schickt Anmerkungen vom Lektor (Groblektorat)
- Erneute Überarbeitung und zurück an den Verlag
- Verlag schickt Anmerkungen vom Lektor (Feinlektorat)
- Korrektorat (Letzter Durchgang mit Korrektur reiner Rechtschreibfehler)
- Veröffentlichung
Ich habe bei meinem ersten Buch ein recht rohes, unredigiertes Manuskript an einige Testleser herausgegeben. Das tat weh, weil man immer sagen wollte: ich weiß, ich weiß, die Fehler kommen noch weg. Oder: die Witze werden noch schärfer konturiert, wirklich! Ich würde immer empfehlen, Manuskripte in einem späteren Stadium abzugeben. Aber damals drängte die Zeit und ich war STUCK. Man sollte immer berücksichtigen, dass Testleser sich freiwillig durch ein unfertiges Buch kämpfen – das sollte man ihnen so einfach wie möglich machen und nicht ihre Zeit damit vergeuden, ein Manuskript zu lesen, dessen Schwächen man selbst schon kennt.
Wo finde ich Testleser?
Einige sind Freunde, befreundete Autoren, selten Verwandte. Ich habe auch einige Testleser über Twitter gefunden, dafür allein schon liebe ich Twitter. Man sollte dabei immer berücksichtigen, dass Testleser sich freiwillig durch ein unfertiges Buch kämpfen – das sollte man ihnen so einfach wie möglich machen und nicht ein zu rohes Manuskript abgeben. Denn damit vergeudest du die Zeit der Testleser, ein Manuskript zu lesen, dessen Schwächen man selber schon kennt.
Ich würde mich auf jeden Fall in den Schreibcommunities umschauen, die es auf Social Media gibt. Facebook, Instagram, Twitter und Wattpad sind gute Orte, um anzufangen, deine Betaleser zu finden:
- Lovelybooks
- Facebook Schreibgruppen, z.B. wie diese hier
- Wattpad
- Instagram hashtag “Bookstagram”
Wie viele Testleser benötige ich?
Das kannst du selbst entscheiden. Ich denke, zu viele Testleser verwirren, zu wenige geben nur eine Meinung wieder. Oft hilft es übrigens gerade bei Feedback, das man nur ungern annehmen will, wenn es mehrmals und von verschiedenen Leuten gehört wird. Just saying. Ich habe inzwischen eine Stamm-Testleserin, die nach der amerikanischen Bezeichnung sogar meine Alpha-Leserin ist, weil ich mit ihr den ersten Durchgang vor den anderen Testlesern mache. Wir passen einfach super zusammen, mir tut es nur leid, dass sie so viele halbgare Manuskripte von mir lesen muss. Aber gut.
Im Anschluss geht es an ungefähr drei weitere Testleser (wenn ich die Zeit dafür habe!). Ich kenne Autoren, die mit Gruppen von 10 Testlesern arbeiten. Jeder muss für sich selbst entscheiden, was die ideale Zahl ist, denn zu einem Testleser muss ich Vertrauen haben. Dennoch muss der Testleser auch in der Lage zu sein, nicht nur „nett“ zu sein, sondern offen über Schwächen des Manuskripts zu reden.
Werden Testleser bezahlt?
Normalerweise nicht. Aber ich verschenke gelegentlich Kleinigkeiten und erwähne sie in der Danksagung, wenn sie sich viel Mühe gegeben haben.
Webseite
Viele Autoren betreiben Facebookgruppen für ihre Testleser. Wenn dir das zu viel ist, kannst du aber auch Mailinggruppen einrichten, wo du Testleser sammelst. Oft sind Testleser, wenn ihnen das Buch gefallen hat, übrigens auch gern bereit, das Buch nach Fertigstellung weiterzuempfehlen, sodass Testleser und Leser, die das Buch bewerben, gelegentlich zusammenfallen.
Wie wähle ich die richtigen Betaleser aus?
Am besten suchst du dir Betaleser, die gern dein Genre lesen und schon Bücher, wie deines eins wird, lesen. Dadurch kennen sie nämlich die Erwartungen der Leser in deinem Genre (schließlich haben sie sie selbst) und können dich auf Fehler und Enttäuschungen hinweisen. Nur Liebesromanleser wissen, wenn es zu wenige Liebesszenen gibt oder die Hauptfigur für sie einfach nicht funktioniert, weil sie so „fit“ im Genre sind. Das ist eine wichtige Überlegung, wenn man Betaleser finden möchte.
Wie kann ich das hilfreichste Feedback für meinen Roman bekommen?
Einige Testleser sind vielleicht selbst Autoren (aber das Feedback ist anders, siehe oben). Ideal ist die Zielgruppe, aber ganz ehrlich, JEDER Testleser wird dich beim Roman schreiben weiterbringen.
Terminplanung
Um die Zusammenarbeit so gewinnbringend wie möglich zu machen, solltest du Deadlines festlegen. Du hast auch Deadlines und das verstehen Leser natürlich, wenn du sie ganz freundlich fragst! Diese Leute schenken dir schließlich das Kostbarste, was sie haben: Ihre Lebenszeit. Dennoch musst du ja noch Zeit planen, ihr Feedback einzuarbeiten, bevor das Buch an den Verlag geht.
Hier als Beispiel ein Schreiben, das ich damals an Testleser versandt habe:
Liebe XXX
Tausend Dank, dass du dir so viel Arbeit machst! Es gibt leider momentan noch einige Rechtschreibfehler, ich hoffe, sie irritieren dich nicht zu sehr im Lesefluss. Der Text kommt noch ins Lektorat und Korrektorat … Im Moment geht es noch um die „größeren“ Themen.
Ist die Geschichte schlüssig? Gibt es Dinge, die du nicht glaubst?
Kommst du hinein, auch ohne mehr Informationen (also ohne Teil 1 Liebe kann man nicht googeln zu kennen?)
Was hat dir gefallen?
Wo hat es Längen?
Wo wird’s UNERTRÄGLICH langweilig?
Verstehst du, warum Lena Björn liebt?
Was fehlt dir? (Ich fürchte momentan – zu wenig Romantik?)
Gibt es Figuren und Themen, über die du noch mehr wissen willst?
Welche Figuren gefallen dir am besten, welche am wenigsten?
Auch wenn du manchmal nicht weißt, was dich stört, dein Bauchgefühl ist alles, was ich brauche. Also keine Hemmungen sowas wie: „das fand ich blöd, weiß auch nicht warum, aber…“ zu sagen. Auch so etwas hilft mir.
Mögliche Fragen für Testleser
Natürlich gibt es noch viele weitere mögliche Dinge, die du deine Testleser konkret fragen kannst. Hier ein paar Vorschläge:
Geschwindigkeit
Gibt es Teile der Geschichte, die sich ziehen?
Gibt es Szenen, die zu plötzlich kommen und dich verwirren?
Ist das Erzähltempo angenehm oder manchmal zu schnell, manchmal zu langsam?
Ist dir irgendwo langweilig?
Weltenbau (gerade bei Fantasy)
Ist die Welt für dich verständlich?
Ist die Handlung logisch nachvollziehbar?
Sind die Regeln logisch und klar?
Charaktere
Sind die Charaktere lebendig, könntest du sie beschreiben?
Klingt der Dialog natürlich und realistisch?
Fühlt sich die Charakterentwicklung richtig an?
Handeln die Charaktere so, wie du es von ihnen erwartest, kannst du es nachvollziehen?
Erscheint eine der Figuren klischeehaft?
Wer ist deine Lieblingsfigur und warum?
Wen magst du nicht und warum?
Wie gehe ich mit dem Feedback der Testleser um?
Das Feedback ist für mich immer eine Befreiung. Gelegentlich bitten mich auch andere Autoren um Feedback und mir fällt auf, dass gerade neue Autoren bei Feedback oder Kritik in Verteidigungshaltung gehen. Professionelle Autoren verteidigen sich selten bis nie (es gibt Ausnahmen!). Sie erklären vielleicht, was sie möchten, aber sie verteidigen sich nicht.
Natürlich muss man nicht alles ändern, um jedem Leser zu gefallen.
Aber über das Feedback erfährt man, wie die Figuren, der Plot, das Setting deines Romans angekommen sind. Was hat der Leser gesehen, was hat ihn erreicht? Was hat er anders verstanden, als ich beabsichtigt habe? Und für mich gilt die Einstellung: wenn etwas falsch verstanden wird, bin erstmal immer ich schuld. Mich hat Feedback immer weitergebracht. Und ja, im ersten Moment ist man gelegentlich wie vor den Kopf geschlagen, das geht mir auch so!
Aber oft habe ich beim Roman schreiben noch viel verändert, Konturen der Charaktere und den Plot geschärft, einiges weggelassen. Bei Vergoogelt! hat mich das Feedback auf neue Wege gebracht. Ich habe noch viel umgeschrieben, Konturen der Charaktere und Plot geschärft, vieles weggelassen. Jeder sollte seinen Testlesern danken, ihnen natürlich das fertige Buch geben und sie erwähnen, aber das ist wahrscheinlich selbstverständlich. Danke ihr lieben Testleser, ihr habt mich schon vor so vielen unschönen Fehlern und Fehltritten bewahrt!
Hier gibt’s übrigens noch mein Video zum Thema Testleser:
Ich hoffe, der Artikel konnte dir weiterhelfen. Schreib sonst gerne noch deine Fragen in die Kommentare. Was sind deine Erfahrungen mit Testlesern, wenn du an einem Roman schreibst?
Theresia Toifl
Hallo!
Kürzlich habe ich dem Blanvalet-Verlag über 20 (Druck-/Rechtschreib-/Sinn-)Fehler zum aktuellsten Roman eines sehr, sehr bekannten Autors übermittelt, welche gerne für eine zweite Auflage entgegengenommen wurden. Dies könnte aber doch auch schon für die erste Auflage vermieden werden, wenn man einen interessierten Testleser /
zugleich auch Korrektor heranziehen würde….?!
Ich würde gerne Testleserin werden, wird man hier auch vermittelt?
Danke und beste Grüße,
Theresia Toifl
Julia
Hallo! Ich glaube es sofort. Weil heute oft alles so schnell geht, wird da häufig etwas übersehen trotz Korrektor etc. Ja, das könnte vermieden werden, aber es werden tatsächlich ja schon Leute bezahlt dafür, nur übersehen die gelegentlich auch etwas. Testleser arbeiten ja eher ohne Bezahlung aus Leidenschaft … Aber du kannst dich bei Autoren oft direkt melden. Ich bin immer froh über Testleser und wenn jemand fragt, sag ich eigentlich fast immer ja. Deshalb würde ich einfach bei den Autoren nachfragen … Liebe Grüße! Julia
Susi
Hallo ich hab mich gerade total in diese Seite verliebt. GROßES KOMPLIMENT! Ich schreibe gerade an meinem ersten Roman und bin mir echt unsicher, ob mir das überhaupt liegt. Kann man auch schon Teile der Geschichte an Probeleser geben? Und wie gehe ich sicher, daß nicht einer meinen Roman oder die Idee Mopst?
Julia
Ja! Absolut, das würde ich sogar gerade am Anfang empfehlen. Einige Autoren geben sogar ihre Romane per Kapitel an ihre vertrauten Testleser. Du brauchst keine Angst zu haben vor Ideenklau, natürlich gibt es tolle Ideen, aber eine Idee macht noch lange keine Geschichte, das ist wie bei Business-Ideen. Es ist die Umsetzung. Zauberinternate gab es auch vor Harry Potter sehr, sehr viele … Ich verstehe das auch, aber die Angst ist wirklich unbegründet und hilft auch nicht weiter, weil sie nur hemmt.