Überschreiben: 4 praktische Tipps wie du diesen Anfängerfehler vermeidest
In diesem Artikel geht es ums Überschreiben, einen Fehler, mit dem gerade Anfänger häufig zu kämpfen haben. Und natürlich helfe ich dir auch, den Fehler zu finden und gebe dir Tipps an die Hand, um ihn zu vermeiden.
- Überschreiben
- Was meint „Overwriting“ oder „Überschreiben“ genau?
- Meine 4 Strategien gegen das Überschreiben
- Vorgehensweise, um Overwriting zu korrigieren
1. Überschreiben
Du bist dabei dein erstes Buch, deinen ersten Roman zu schreiben? Du benötigst nicht nur einen Plot, die Entwicklung der Charaktere und eine sicherere Rechtschreibung, sondern auch einen guten Schreibstil, der deine Leser fesselt. Heute soll es um einen typischen Anfängerfehler gehen, der sich gerne und schnell in deinen Romantext (und Texte aller Art) einschleicht.
Es geht um das sogenannte Overwriting. Overwriting ist ein Phänomen, das selbst erfahrenen Autoren regelmäßig passiert. Geübte Autoren entwickeln allerdings ein Bewusstsein für diesen Fehler und können sich selbst „bändigen“, so dass das Problem seltener entsteht oder weniger ausgeprägt ist. Meine Texte sind im Entwurf völlig „überschrieben“ – aber ich sehe das Problem selbst und kann im ersten Korrekturdurchgang dann viele Fehler einfach selbst entfernen. Auf die verbliebenen weist mein Lektor mich hin, denn „Überschreiben“ gilt eigentlich nirgends als guter Stil.
Am Ende des Blogartikels findest du noch einen Vorschlag zur Vorgehensweise, um Überschreiben Schritt für Schritt in deinem Text zu korrigieren. Aber erstmal von vorn.
2. Was ist Overwriting überhaupt?
Was ist Overwriting? Overwriting kenne ich als Begriff ursprünglich aus dem Englischen, man kann es einfach mit Überschreiben übersetzen, denn der Ausdruck bezeichnet es genau.
Überschreiben gibt es auf vielen Ebenen, einige Beispiele wären:
- Umständliche Beschreibungen mit vielen Worten, die abzukürzen sind, ohne den Sinn zu verändern
- Wiederholungen von einzelnen Sätzen, Satzteilen und Bedeutungen
- Übermäßiger Gebrauch von Füllwörtern
- Lange Sätze, lange, verschachtelte Absätze, lange Kapitel – die nicht dem Verlauf der Handlung angemessen sind oder ein bewußt eingesetztes Stilmittel
- Ansammlungen von Adjektiven und Adverbien, welche die Bedeutung nicht bereichern
- angestrengter Sprachgebrauch, bewußt „gebildete“ Sprache (wie man sie etwa aus Promotionen und wissenschaftlichen Texten kennt, die betont akademisch auftreten). Als Leser ist es unangenehm, wenn man den Eindruck hat, dass der Verfasser seine eigene Textgelehrtheit zur Schau stellen will.
- zu künstlich konstruierte, aufwendige Metapher, mit auffälligen Bildern, besonders wenn sie immer wieder auftauchen
- Auf Plotebene gehört zum Overwriting auch das übermäßige Entwicklen von Nebenfiguren und Plotsträngen
Ich gehe in diesem Artikel detaillierter auf die ersten Punkte ein, also insbesondere die Verwendung von überflüssigen Wörtern und Ausdrücken, um den gleichen Sachverhalt zu beschreiben, auf die Aufblähung und Verlangsamung von Text und Handlung mit Überflüssigem.
Keine Frage: Überschreiben kann bewusst als Schreibstil eingesetzt werden. Man läuft dabei jedoch Gefahr, schnell das Interesse des Lesers zu verlieren, da der Text langatmig wird. Daher korrigieren Lektoren Merkmale von Overwriting in der Regel rigoros, damit die Handlung fortschreitet und die Aufmerksamkeit des Lesers gehalten wird. Im Allgemeinen gilt Overwriting nicht als ein Merkmal eines guten Schreibstils.
Schreiben ist Mode
Dazu möchte ich aber kurz anmerken: Schreibstil ist Moden unterworfen. Im 19. Jahrhundert war wortreiches Schreiben reich an sprachlichen Ornamenten zum Beispiel sehr beliebt. Aktuell ist es nicht üblich und nicht gewünscht. Aber Achtung, als bewußt eingesetzter stilistischer Zug in (hoch)literarischen Texten gibt es Overwriting natürlich überall! Aber in Unterhaltungsliteratur und Gebrauchstexten sollte es vermieden werden.
Stephen King benutzt Overwriting übrigens weder als Stilmittel, noch tut er es überhaupt. Mir hat ein Zuschauer meines Videos zum Thema (siehe unten) mal gesagt, dass Stephen King doch erfolgreich sei und er würde doch viel beschreiben und wie könne ich behaupten, dass das schlecht sei? Stephen King überschreibt nicht. Er beschreibt – und zwar auf ganz wunderbare (und häufig für mich zu verstörende!) Art. Er beherrscht sein Genre. Da werden keine überflüssigen Wiederholungen in Beschreibungen benutzt. Beschreibungen sind toll! Ich liebe Metaphern, ich liebe sinnliche, lebendige Beschreibungen. Es geht hier jedoch um sinnlose Wiederholungen, die den Text nicht bereichern, sondern bloß lähmen und aufblähen. Ein großer Unterschied!
3. Vier Strategien gegen das Überschreiben
1. Nutze zusammengesetzte Wörter
Auch ich habe immer wieder die Tendenz viele Wörter zu verwenden, um etwas auszudrücken. Das bläht einen Text jedoch auf. Eine Möglichkeit dies zu korrigieren, ist das Verdichten von Bedeutungen. Das ist übrigens auch das Erste was ein Lektor anmerkt. Du kannst aber auch selbst bereits Hand anlegen und kontinuierlich Bedeutungen verdichten. Nutze z.B. zusammengesetzte Hauptwörter statt der Umschreibung, wo möglich. Und nein, ich mache das auch nicht beim Verfassen meines Rohentwurfs, sondern immer im ersten Überarbeitungsschritt.
Da wir in der deutschen Sprache die Möglichkeit haben zusammengesetzte Hauptwörter zu verwenden, sollten wir das auch in einem Roman tun. Bereits diese Kleinigkeit verdichtet deinen Text schon und lässt sich leicht umsetzen.
Beispiele:
»Esstisch« statt »Der Tisch, an dem sie aßen.«
»Die goldene Türklinke « statt »Die Klinke an der Tür war golden.«
Hier noch ein Beispiel, wie ich eine umständliche Beschreibungen vereinfachen würde:
»Ich ging aus der Küche in Richtung des Wohnzimmers, wo meine Tochter am Wohnzimmertisch saß.«
besser
»Ich ging ins Wohnzimmer wo meine Tochter (am Tisch) saß.«
Schau dir doch auch mein Video zum Thema an: Mein erstes Buch schreiben: Wie vermeide ich diesen typischen Anfängerfehler
2. Streiche Füllwörter heraus
Füllwörter haben eine einschränkende Funktion, lassen Texte vage erscheinen und verlängern den Text. Das heißt nicht, dass alle Füllwörter gestrichen werden sollten, sie kommen im natürlichen Sprachgebrauch häufig vor. Wenn alle Füllwörter gestrichen werden, wirkt der Text gelegentlich unnatürlich und steif, wenn zu viele drin sind langatmig. Ein gesundes Mittelmaß ist die Lösung. Geh sparsam mit Füllwörtern um und streiche größtenteils Füllwörter raus. Hier findest du eine Liste mit Füllwörtern, die dir helfen den Anfang zu machen!
Anwendungstipp
Die Verwendung von Füllwörtern zu reduzieren muss man üben. Schreibe deinen Text vorerst wie gewohnt und streiche die Füllwörter erst beim Korrekturlesen raus. Mit der Zeit wirst du sie bewusst weniger verwenden. I
Außerdem habe ich in meinem YouTube Video über Wolf Schneider über die Verwendung von Füllwörtern gesprochen. Schau auch da mal rein, falls dich das Thema interessiert. Seine großartigen Bücher* sind eine ausdrückliche Buchempfehlung, um tiefer in die Thematik einzutauchen.
3. Vermeide Wiederholungen von gleichen Sachverhalten
Wortwiederholungen sind hier nicht gemeint, denn das sind typische Wiederholungsfehler. Das ist der Fall, wenn du ein Wort verwendest und im nächsten Satz oder auf den nächsten Seiten verwendest du es immer wieder. Ich habe manchmal das Gefühl, dass sich diese Wörter wie von selbst immer weiter durch den Text tragen und ich sie einfach nicht abschütteln kann. Das ist aber, wie gesagt, nicht damit gemeint.
Ich meine Wiederholungen, die den gleichen Sachverhalt in anderen ähnlichen Worten im nächsten Absatz nochmal umschreiben oder das gleiche Wort im selben Satz nutzen.
Das gleiche Beispiel von oben passt auch hier:
»Ich ging aus der Küche in Richtung des Wohnzimmers, wo meine Tochter am Wohnzimmertisch saß.«
Das Wort »Wohnzimmer« ist doppelt und bläht den Satz unnötig auf.
Auch hier streiche ich unnötige Wörter und versuche den Satz kraftvoller zu machen.
Ein Beispiel für die mehrfache Beschreibung des gleichen Sachverhalts in anderen Worten wäre:
»Das Meer war aufgewühlt und brachte große Wellen Richtung Strand.«
und kurz später:
»Die Brandung war beeindruckend durch ihre Höhe und Stärke.«
Beide Sätze besagen aber letztlich das Gleiche. Ich persönlich finde den ersten Satz ausdrucksstärker, weil er bildhafter ist.
4. Auf Plotebene: Tell don’t show für Nebenschauplätze oder Nebencharaktere
Das Beschreiben statt dem Benennen einer Handlung nennt man show, don’t tell. Wenn du das für unwichtige Handlungen machst, bekommen sie eine Bedeutung im Plot, die sie eigentlich nicht haben. Auch dadurch wird der Text wieder unnötig aufgebläht und der Fokus wird auf unwesentliche Aktionen gelenkt. Nutze stattdessen tell don’t show für diese Passagen.
Du bist dir immer noch unsicher, ob eine Passage unnötig aufgebläht wurde?
Dann stell dir folgende Fragen:
- Was ist die wichtigste Handlung in dieser Szene deines Buches?
- Worauf liegt der Fokus?
- Wurden Nebenschauplätze übermäßig beschrieben, die für den weiteren Fortgang keine Relevanz haben?
Wenn du dir nach diesen Fragen immer noch unsicher bist, dann lies dir am besten nochmal deine Plotzusammenfassung durch. Du hast gar keine? Schau dir dazu meinen Blogartikel über das Schreiben eines Plots an. Nur, wenn du weißt, was das Rückgrat deines Plots ist, kannst du die Entscheidung, was wichtig ist und was unwichtig überhaupt treffen.
4. Vorgehensweise, um Überschreiben zu vermeiden
Ich hoffe, du hast im Artikel einige Informationen gefunden, die dich für das Thema „Überschreiben“ sensibler gemacht haben.
Aber, keine Angst, wenn ich alle diese Aspekte im Kopf hätte, während ich schreibe, nunja, dann bekomme ich auch kein Wort mehr raus. Einige Dinge mache ich natürlich automatisch. Aber die meisten Fehler korrigiere ich erst beim Überarbeiten. Dort streiche ich hemmungslos Passagen, verdichte und entferne Dopplungen und Füllwörter. Die Vorgehensweise wäre dann zum Beispiel so:
- Schreibe deinen Text „hemmungslos“, halte dich nicht zurück, du kannst Überschreiben, was das Zeug hält, denke nicht drüber nach. Es geht beim ersten Entwurf immer vor allem darum, deine Geschichte aufs Papier zu bringen
- Lass den Text einen Moment liegen
- Suche deinen Text nach Füllwörtern ab, entferne sie
- Verdichte Bedeutungen, indem du Umschreibungen zu zusammengesetzten Hauptwörtern umformulierst.
- Komprimiere umständliche Erklärungsweisen und konzentriere dich auf das Wesentliche
- Nutze kraftvolle Verben, wo möglich.
Kennst du das Problem? Fandest du den Artikel oder mein Video hilfreich? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar!
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