Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass ich meditieren würde, ich hätte ihn für verrückt gehalten. Meditation, das ist doch das, wo man seine Gedanken fliegen lassen soll! Ich will meine Gedanken aber festhalten. Ich tue alles dafür, damit mir kein Gedanken entgleitet, springe nachts aus dem Bett, um etwas aufzuschreiben oder spreche während des Autofahrens in das Diktiergerät auf meinem Smartphone.
Natürlich sind meine Romane erfunden, doch kommt Lenas Haltung zur Meditation in meinem Roman Vergoogelt! meiner eigenen Einstellung bis vor ein paar Monaten ziemlich nah: „Warum sollte man nichts denken? Das macht doch nicht glücklich und entspannt, sondern ist nur, ähhh, sterbenslangweilig? […] Denn nichts ist fürchterlicher, das weiß ich aus Erfahrung, als dieses unbestimmte Surren im Hirn, wenn man noch weiß, dass dort gerade ein superguter Gedanke die Synapsen in Gang gebracht hat, aber unfähig ist, ihn noch mal an die Oberfläche des Bewusstseins zurückzuholen.“ – Ich habe einen etwas längeren Auszug von Lenas Erfahrung während der Yogastunde unten eingeführt, wen ihre Ergüsse zum Thema interessieren.
Außerdem: Wer hat bitteschön Zeit dafür, stundenlang im Schneidersitz abzuhängen und NICHTS zu tun? Ich nicht. Dachte ich.
Beginne mit ganz kurzen Meditationen
Dann aber kam Anja zu Besuch, meine unglaublich hochbegabte Freundin aus Kalifornien, die gerade ein Buch geschrieben hatte, ein ernstzunehmendes und kluges über Indien und China. Sie hat eine Beratungsfirma, ist „nebenher“ Professorin an der Stanford Universität, hat in Stanford und Harvard studiert und ja, superlustig ist sie auch. Ich weiß, mich macht das auch fertig. Sie ist zudem perfekt organisiert und nur selten gestresst. Sie liebt Aktivität – dachte ich. Bei ihrem letzten Besuch verriet sie mir, dass sie mit Meditation angefangen hatte, weil sie eben doch gestresst sei und manchmal nicht schlafen könnte. Es hätte ihr unglaublich gut getan. Sie sei auch nicht der Typ dafür, aber sie hätte es ausprobiert, weil eben jeder in San Francisco meditiert und darauf schwört und — nunja, sie hätten alle Recht gehabt.
Zwei Wochen lang trug ich den 20-minütigen kostenlosen Podcast von „The Meditation Podcast“ mit mir rum. Ich fand keine zwanzig Minuten. Dann empfahl jemand auf Twitter Lilou Mace: 4 Minuten 48 Sekunden für eine „Quick und effective creative visualization“. Okay, da gab es keine Ausrede mehr.
Die Wissenschaft weiß natürlich schon seit ewigen Zeiten, dass Mediation wirkungsvoll ist. Tausend mal bewiesen in allen möglichen Forschungen. Ihr könnte einige Hintergründe nachlesen.
Positive Auswirkungen von Meditation
- weniger Stress
- besserer Fokus (ein entscheidender Punkt, den ich deutlich merke)
- erhöhte Empathie (da Schreiben ein sehr emphatischer Prozess ist, bei dem man ständig versucht, sich in andere Personen hineinzuversetzen, ist dies sehr hilfreich)
- mehr Kreativität (bewiesen allerdings insbesondere nach „open monitoring“ Meditation, bei der man tatsächlich versucht, auf Gedanken so wenig wie möglich zu reagieren. Aber ich persönlich würde, wie viele andere sagen, die es ausprobiert haben, dass dies auch bei angeleiteter Mediation zutrifft)
Ich bin tatsächlich ruhiger, fokussierter und viel produktiver, seit ich meditiere! Ich spüre es deutlich. Auch die Visualisierung der Szenen scheint mir fast besser zu gelingen. Ein Placebo? Wäre eigentlich auch egal, das Ergebnis stimmt. Ich schaffe es nicht jeden Tag. Ich mache es eher dreimal die Woche. Und auch wenn jetzt einige aufschreien werden: Dreimal die Woche ist nicht genug! Ich spüre einen deutlich positiven Effekt.
Die meisten Mediationen, die ich höre, sind auf Englisch. Ich bin wirklich absoluter Anfänger und höre angeleitete Meditationen, die Visualisierung beinhalten. Es ist wirklich leicht zu verstehen, was gemeint ist, auch in Englisch, deshalb denke ich, können auch Anfänger gut zuhören. Ich mochte die Stimme von Lilou Mace sofort, sie spricht Englisch mit einem französischen Akzent. Die Stimme ist wichtig, man muss die Stimme mögen, wenn man sich darauf einlassen soll.
So können auch blutige Anfänger in die Meditation einsteigen:
1) Probiere Lilou Mace aus. Ihre Mediationen sind kostenlos auf Youtube zu finden. Versuche zum Beispiel die kurze kreative Visualisierung oder Release your fears – am besten direkt vor dem Schreiben. Du setze dich vor den Computer oder legst dich auf den Boden. Schließe die Augen. Und dann mach einfach, was sie sagt. Ich habe inzwischen ihre gesammelten Meditationen auf ihrer Webseite gekauft.
2) Alternativ probiere einen der kostenlosen „The Meditation Podcast“. Hier gibt es Meditationen unterschiedlicher Länge.
3) Probiere Headspace Mediationen, ebenfalls als App erhältlich, allerdings kostenpflichtig. Viele Autoren (und andere Menschen natürlich auch) lieben diese Meditationen. Ich mache derzeit die Mediationsserie Fokus. Der Mann weiß, wovon er spricht, man muss aber die Stimme mögen. Alternativ gibt es noch Calm, das ich selbst nicht kenne, aber ähnlich gut sein soll. Und obwohl das Wort Achtsamkeit mir wegen seines belehrenden Klanges einen Schauer über den Rücken jagt, ist das, was gemeint ist, ja positiv, hier gibt es weitere Apps.
Falls du ohne Anleitung anfangen möchtest zu meditieren, schau bei Leo Balboa vorbei. Er gibt eine eine kurze und verständliche Anleitung dazu.
Warum Lena nicht meditieren will…
Und nun noch ein kleiner Auszug aus Vergoogelt! und Lenas pathetischen Versuch zu meditieren, beziehungsweise, eben nicht zu meditieren. Wenn du so etwas schon einmal gedacht hast: Versuche es trotzdem einmal. Du wirst es nicht bereuen.
Lass die Gedanken ankommen und vorbeifliegen. Halte sie nicht fest.« Den Sinn von Meditation habe ich noch nie verstanden. Warum sollte man nichts denken? Das macht doch nicht glücklich und entspannt, sondern ist nur, ähhh, sterbenslangweilig? Außerdem, wenn wir nicht denken, sind wir doch nicht anders als Tiere, reine Instinktwesen. Warum sollte man das als Fortschritt und nicht als Rückschritt verstehen? Aber weil David so nett ist und nicht so wirkt, als würde er einem irgendeinen Schwachsinn andrehen, wollte ich es mal drauf ankommen lassen.
Ich saß also still im Schneidersitz mit geschlossenen Augen und wartete auf den ersten Gedanken, um ihn zu vermeiden. Ich würde es einfach mal versuchen. Aber dann kam mir dieser Gedanke, dass ich doch ebenfalls einfach ein Buch schreiben könnte. Ich könnte meine Tweets und Blogeinträge zusammenfassen und über Blog-Marketing schreiben. Das könnte ich dann als E-Book verkaufen. Ich überlegte, welche Artikel ich verwenden, wie ich das Buch aufbauen und wie ich eine riesige Marketing-Kampagne mit allen meinen Blogger-Freundinnen starten könnte.
Plötzlich drückte jemand meinen Arm, langsam und fest, aber nicht unangenehm. Als ich die Augen öffnete, blinzelte ich in das Gesicht von David. Er machte einen Ausdruck, als wollte er sagen: ›Na, aufgewacht?‹ Um mich herum reckten schon wieder alle ihre Hintern in die Luft für den Hund. Den Rest der Stunde bemühte ich mich verkrampft, alle Ideen und Gedanken festzuhalten, die ich gerade gehabt hatte. Aber ich konnte ja schlecht einen Notizblock holen oder mein iPhone für ein kleines Diktat herausholen, während ich Krieger eins und zwei, Happy Baby, Kranich und all die Posen durchlief, die jeder Dreijährige ohne Probleme hinbekam und die man sich jetzt mühsam antrainieren musste.
Ich klammerte mich fest an meine Gedanken. Denn nichts ist fürchterlicher, das weiß ich aus Erfahrung, als dieses unbestimmte Surren im Hirn, wenn man noch weiß, dass dort gerade ein superguter Gedanke die Synapsen in Gang gebracht hat, aber unfähig ist, ihn noch mal an die Oberfläche des Bewusstseins zurückzuholen.
Das ist aus Vergoogelt! S. 194-196.
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